Verantwortung, nicht Schuld

In den letzten Tagen wurde mit dem rechtsextremen Narrativ des so genannten „Schuld-Kult“ versucht Stimmung gegen die Aufarbeitung der eigenen Geschichte und der Verantwortung aus ebendieser zu machen. Dieses Konzept des rechtsextremen Kulturkampfs, versucht die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit als übertrieben und schädlich darzustellen. Um diesem Narrativ entgegenzutreten, ist es wichtig, die Unterscheidung zwischen Schuld und Verantwortung zu verstehen und die Bedeutung der historischen Aufarbeitung zu betonen.

So sorgte Elon Musk bei einer Live-Schaltung zum AfD-Wahlkampfauftakt in Deutschland für Aufsehen. Er äußerte: „Ich denke, es wird zu viel auf vergangene Schuld geachtet und wir sollten darüber hinausgehen. Kinder sollten nicht für die Sünden ihrer Eltern oder vielleicht sogar ihrer Urgroßeltern schuldig sein.“. Diese Aussagen reihen sich in eine Kette von Äußerungen ein, mit denen Musk in den deutschen Wahlkampf eingreift und die AfD unterstützt. Er zeigt aber auch, wessen Geistes Kind sich dahinter verbirgt. Die Aussage ist verharmlosend, redet die Grauen der NS-Zeit, den Zivilisationsbruch der Nazis klein.

Auch bei uns in Österreich ist das Thema präsent. In einer Debatte zwischen meinem Kollegen Michel Reimon und der Ex-FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel auf Puls24 wurde die Aussage von Musk thematisiert. Es verwundert nicht, dass sich Stenzel den Aussagen von Musk anschloss. Das Empörende daran: Sie machte das justament am Holocaust-Gedenktag, am Tag an dem die Welt der Gräuel des NS-Regimes gedenkt. Dass Michel das Ganze mit Verachtung und der Aussage, dass es eine Schande ist, was Stenzel da von sich gibt, quittierte, ist nur allzu verständlich. Es ist eine Schande, auch an jedem anderen Tag im Jahr, aber am heutigen 27. Jänner nochmals mehr. Dieses Narrativ darf in einem Land, das eine historische Verantwortung durch die Geschichte aufgeladen hat, nicht einfach so hingenommen werden. Widerspruch ist nötig: Zudem ist das Narrativ des „Schuld-Kults“ tief in den Ideologien deutschnationaler Burschenschaften in Österreich verwurzelt, was nicht weiter verwundern sollte. Diese Verbindungen, die auch als Kaderschmiede für rechtsextreme Organisationen und die FPÖ dienen, halten an einem offensiv vorgetragenen Deutschtumsbekenntnis fest. Nicht wenige Mitglieder deutschnationaler schlagender Burschenschafter waren Teil der NS-Mordmaschinerie, nicht als Mitläufer oder Mittäter, sondern als Architekten, Planer und Umsetzer. Und: Sie werden immer noch in ihren Verbindungen geehrt, anstatt sich kritisch mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Von daher verwundert es nicht, wenn das Gedenken an den Holocaust von dieser Seite als „Schuldkult“ und Ausdruck von „Ethnomasochismus“ diffamiert wird. Diese Haltung steht im krassen Gegensatz zur historischen Realität und wissenschaftlichen Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Vor allem aber, ist diese Haltung demaskierend, und zeigt was sich hinter der gespielten Betroffenheit der Rechtsextremen wirklich verbirgt.

Reden wir daher über Verantwortung statt Schuld. Oder wie es Max Mannheimer mit seinem berühmten Zitat artikuliert hat:

„Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“

Und genau um das geht es: Um die historische Verantwortung, um das Erinnern. Es geht darum, dass „Nie wieder!“ keine leere Floskel wird oder bleibt, sondern dass es sich hier um eine echte Verpflichtung handelt. Mannheimer unterscheidet klar zwischen der Schuld der damaligen Täter und Mitläufer und der Verantwortung der nachfolgenden Generationen. Die heutigen Generationen tragen keine persönliche Schuld an den NS-Verbrechen, da sie nicht daran beteiligt waren. Allerdings sieht Mannheimer eine klare Verantwortung der Nachgeborenen, aus der Geschichte zu lernen und sich dafür einzusetzen, dass sich solche Verbrechen nicht wiederholen.

Diese Verantwortung umfasst das Erinnern, das Gedenken an die Opfer und vor allem das aktive Eintreten gegen Antisemitismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit in der Gegenwart. Mannheimers Botschaft zielt darauf ab, junge Menschen zu ermutigen, sich mit der NS-Geschichte auseinanderzusetzen, ohne sie mit Schuldgefühlen zu belasten. Stattdessen appelliert er an ihr Verantwortungsbewusstsein und ihre Handlungsfähigkeit in der Gegenwart.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit kein „Kult“ ist, sondern eine notwendige gesellschaftliche Aufgabe. Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus dient nicht dazu, heutige Generationen zu beschuldigen, sondern um aus der Geschichte zu lernen und ähnliche Entwicklungen in der Zukunft zu verhindern. Die Versuche rechtsextremer Kreise, diese Aufarbeitung als übertrieben darzustellen, sind gefährlich. Sie zielen darauf ab, die Erinnerungskultur zu untergraben und rechtsextremes Gedankengut wieder salonfähig zu machen. Es bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, solchen Narrativen entschieden entgegenzutreten und die Wichtigkeit der historischen Aufarbeitung zu betonen. Nur so kann verhindert werden, dass die Lehren aus der Geschichte in Vergessenheit geraten. In diesem Sinne ist Mannheimers Appell an die Verantwortung jedes Einzelnen aktueller denn je – nicht als Last der Vergangenheit, sondern als Auftrag für eine bessere Zukunft.

Von daher sind Musks Aussage, Stenzels Verteidigung und die Haltung rechtsextremer deutschnationaler schlagender Burschenschaften das, was sie sind: eine Schande.

One Reply to “Verantwortung, nicht Schuld”

  1. „Nie wieder!“ DARF keine leere Floskel sein, einige Leute verdrängen die Tatsachen doch nachwievor. Zu vergessen welche Konsequenzen der Irrsinn des Faschismus auch für ihre eigenen Familien bedeutete, die ja nicht verfolgt waren durch die Nazis, nenne ich „geschichtsvergessen“. Menschen verhungerten nach dem Krieg, jede Familie musste mit den Folgen der Zerstörung klarkommen. Was es für die verfolgten Juden, Sozialdemokraten, Roma, Homosexuellen bedeutete was NUR schrecklich!
    Frau Stenzels Meinung ist tatsächlich nur IHRE Meinung, die eben auch NUR von einem kleinen Teil der Bevölkerung geteilt wird. Der Großteil in Österreich ist NICHT dieser Meinung! Über Frau Stenzel muss nicht geredet sein, ihre Vita sagt alles! Wichtig wäre die Haltung des BP oder anderer vertrauenswürdiger oder ehrenwerter Denker unseres Landes, die in erbaulicher Weise in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden!

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