Präsentismus: Wenn Kranksein zur Gefahr wird

Stefan Sternad von der Kärntner Wirtschaftskammer will also für die ersten Tage eines Krankenstands in Zukunft Urlaubstage oder Zeitausgleich aufwenden. Konkret: Krankenstände unter drei Tagen sollen nicht mehr möglich sein – stattdessen sollen Arbeitnehmer:innen Urlaub oder Zeitausgleich nehmen, um Krankheitstage abzudecken. Dazu könnte man sagen: unsozial, praxisfern, unsinnig. Oder man erklärt es genau.

Präsentismus: Wenn Kranksein zur Gefahr wird
Wir Grüne lehnen diesen Vorschlag entschieden ab, weil er nicht nur unsozial, sondern geradezu gesundheitsgefährdend ist. Wer erkrankt ist, hat das Recht, sich auszukurieren – und zwar ohne dafür auch noch seinen Urlaub opfern zu müssen. Alles andere fördert den sogenannten Präsentismus: Menschen werden sich in Zukunft dann krank zur Arbeit schleppen, weil sie keine anderen Optionen sehen. Die Folgen sind bekannt: Die eigene Gesundheit leidet, und die Gefahr, Kolleg:innen anzustecken, steigt massiv.

Ein plakatives Beispiel: Ein Mitarbeiter mit Magen-Darm-Erkrankung erscheint trotz Symptomen im Büro. Innerhalb weniger Minuten kann er seine Umgebung anstecken – das Risiko für einen Krankheitsausbruch im gesamten Team ist enorm. Dass solche Szenarien nicht im Interesse der Unternehmen liegen können, scheint den Befürwortern dieses Vorschlags entgangen zu sein.

Komplexe Rechtsfolgen und hohe Bürokratie
Rechtlich wirft der Vorschlag Fragen auf. Was passiert, wenn der Urlaubsanspruch aufgebraucht oder bereits verplant ist? Wie wird mit Zeitausgleich verfahren? Wenn man den Vorschlag in Ruhe durchrechnest, stellt man mit den durchschnittlichen Krankenstandstagen in Österreich fest, dass Arbeitnehmer:innen mit dieser Regelung faktisch fast die Hälfte ihres Urlaubs allein für Krankenstandstage verlieren würden – eine vollkommene Absurdität.

Zudem zeigt die Forschung: Strenge Regelungen, die etwa eine Krankmeldung bereits ab dem ersten Tag verlangen, führen nicht zu weniger, sondern zu längeren Krankenständen. Menschen gehen krank zur Arbeit, kehren zu früh zurück und erleiden dann Rückfälle. Dieses Misstrauen gegenüber Arbeitnehmer:innen, das dem Vorschlag zugrunde liegt, lehnen wir klar ab.

Kostenverlagerung ohne Konzept
Auch der zweite Vorschlag, die ÖGK solle Krankenstände erst ab dem vierten Tag bezahlen, ist wenig durchdacht. Er verschiebt Kosten auf die Krankenversicherung, ohne zu bedenken, wie diese finanziert werden soll. Die bestehende Regelung basiert auf stabilen Beiträgen zur Sozialversicherung. Wer an dieser Schraube dreht, muss auch erklären, dass dies letztlich höhere Lohnnebenkosten nach sich ziehen würde – genau das, was Unternehmerverbände vermeiden wollen.

Es gab einst den Entgeltfortzahlungsfonds, der gerade kleine und mittlere Unternehmen entlastet hat. Dessen Abschaffung war bereits ein fragwürdiger Schritt. Einfach neue Lasten auf die Krankenversicherung abzuwälzen, löst kein einziges Problem, sondern schafft neue.

Krankenstand ist kein Luxus und Krankheit keine Freizeit. Wer solche Vorschläge macht, hat wenig Ahnung von der Realität von Arbeitnehmer:innen und das Funktionieren unseres Sozialstaates. Wir Grüne stehen klar gegen diese unsozialen und praxisfernen Ideen – für ein solidarisches Gesundheitssystem, das Menschen stärkt, wenn sie es brauchen.

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