Hallo Ärztekammer, hier spricht das 21. Jahrhundert

Immer dann, wenn die Rede auf einen modernen Umbau des Gesundheitswesens kommt, wirkt es so, als sei die Zeit in der Ärztekammer stehengeblieben. Dabei zeigen uns internationale Vergleiche, dass genau dort, wo Personal entlang von erworbenem Wissen und bestehender Kompetenzen eingesetzt wird, es deutlich besser rennt. In Österreich dagegen wehrt man sich gegen den so genannten „Kompetenz Shift“ mit Händen und Füßen. Wobei es auch hier zu differenzieren gilt: Es wehren sich vor allem ältere Funktionäre. Das sind aber auch jene, die in der Kammer leider das Sagen haben. Sie sind am Ende sicher nicht mehr repräsentativ für den Berufsstand der Mediziner:innen im Land. Dabei bräuchte es aber genau jetzt Mut zur Veränderung und ein Gesundheitssystem, das im 21. Jahrhundert ankommt.

Vor allem braucht eine patient:innenorientierte und gut funktionierende Gesundheitsversorgung Teamwork: Ein starkes Gesundheitssystem funktioniert dort besonders gut, wo ALLE Gesundheitsberufe auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die internationale Praxis zeigt das klar: Skandinavien bindet seit langem alle Gesundheitsberufe entsprechend ihrer Kompetenzen in die Versorgung ein. Das Ergebnis? Eine bessere Versorgung für Patient:innen und eine spürbare Entlastung des gesamten Systems. Genau das Gegenteil von dem, was die Ärztekammer mit ihrer Fixierung auf Standesgrenzen propagiert.Wenn die Kammer davon spricht, dass nicht-ärztliche Gesundheitsberufe „schlechter ausgebildet“ seien und ihre Kompetenzen nicht genutzt werden sollten, wird deutlich: Hier geht es nicht um das Wohl der Patient:innen, sondern um die Verteidigung alter Machtstrukturen. Das Verhindern notwendiger Reformen hat aber lange genug die Gesundheitsversorgung belastet. Die heute von allen kritisierte Situation fußt bekanntlich auf den Blockaden und der nicht vorhandenen Bereitschaft zur Bewegung der Vergangenheit. Wir brauchen daher endlich ein Klima der Zusammenarbeit, nicht der Blockaden.

Attraktivere Verträge? Die Kammer beklagt sich über die wenig attraktiven Verträge insbesondere mit der ÖGK (Österreichische Gesundheitskasse). Zurecht, wie ich finde. Aber: Die Verantwortung liegt auch bei der Ärztekammer, werden diese Verträge im Rahmen der Selbstverwaltung zwischen Kammer und Kassen verhandelt und abgeschlossen. Sie bilden also somit das ab, was diese beiden Institutionen vereinbart haben. Wenn die Kammer beispielsweise überbordende Bürokratie bei der Abrechnung beklagt, dann hat sie das mitzuverantworten. Wenn jetzt lautstark attraktivere Bedingungen verlangt werden, stellt sich die Frage, warum die Kammer diese nicht längst durchgesetzt hat. Vielleicht liegt es an einer Verhandlungsstrategie, die vor allem rote Linien zieht und Standpunkte einzementiert, anstatt echte Fortschritte zu erzielen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ein neuer Gesamtvertrag aus bedeuten würde, dass es die bisher gültigen Einzelverträge in den Bundesländern nicht mehr geben wird, und damit die Landesärztekammer wieder ein Stück weniger Relevanz und Macht hätten. Hinter vorgehaltener Hand reden nämlich Funktionäre aus der Kammer genau davon.

Dass es im Gesundheitsbereich ganz oft genau um Macht und Blockade geht, zeigt auch hier die Vergangenheit. Ein gutes Beispiel, wie das Blockieren notwendiger Reformen dem Gesundheitssystem schadet, ist der Ausbau von Primärversorgungseinheiten (PVE). Jahrelang hatten die Länderärztekammern ein Vetorecht und hielten in unterschiedlicher Ausprägung die Entwicklung zurück. Im Sommer 2023 haben wir genau das repariert, und die bis dahin von Rot und Schwarz verankerte Veto-Option entfernt. Seitdem das nicht mehr der Fall ist, sprießen diese wichtigen Einrichtungen aus dem Boden. Junge Ärzt:innen finden hier attraktive Arbeitsbedingungen, und Patient:innen profitieren von einer modernen, teamorientierten Versorgung.

Zukunftsorientiert statt rückwärtsgewandt: Die Zeit des Einzementierens von Strukturen muss endlich ein Ende haben. Wir brauchen ein Gesundheitssystem, das auf Zukunft ausgerichtet ist und das volle Potenzial aller Gesundheitsberufe nutzt. Dass die Ärztekammer dieses Potenzial als „Verwässerung“ bezeichnet, zeigt, wie weit sie von einer modernen Gesundheitsversorgung entfernt ist. Es wird Zeit, dass die Ärztekammer im 21. Jahrhundert ankommt – im Interesse aller, die auf eine starke, solidarische und nachhaltige Gesundheitsversorgung angewiesen sind. Die Patient:innen verdienen ein System, das Zusammenarbeit fördert, anstatt Reformen zu blockieren. Und genau das werde ich als Gesundheitssprecher der Grünen weiterhin mit aller Kraft einfordern.

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