Die aktuelle Diskussion um die Metapher von Peter Lehner, der das Gesundheitssystem mit einem Auto vergleicht, geht vollkommen am eigentlichen Problem vorbei. Auch und vor allem der Kommentar von „Presse“-Journalist Köksal Baltaci, der diesen heute (02.01.2025) weiterdreht. Gesundheitsversorgung ist keine Frage des Luxus, sondern der Solidarität. Ein solides Gesundheitssystem, das allen Menschen unabhängig von ihrem Einkommen oder sozialen Status eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung bietet, ist ein Grundrecht und darf kein Luxusgut werden.
Die von Köksal Baltaci ins Spiel gebrachte stärkere Fokussierung auf mehr Eigenverantwortung und Gesundheitskompetenz als Lösung für die Probleme im Gesundheitswesen greift daher zu kurz. Natürlich ist Gesundheitskompetenz wichtig, aber sie darf nicht als Ausrede dafür herhalten, notwendige strukturelle Reformen und Investitionen in das öffentliche Gesundheitssystem zu vernachlässigen. Dieser Aspekt wirkt wie der Versuch abzulenken, ebenso wie der Vorstoß von Peter Lehner.
Die Vorstellung, dass wir bei der Gesundheitsversorgung Abstriche machen sollen, ist vor allem eines: absurd. In einem wohlhabenden Land wie Österreich muss sichergestellt sein, dass niemand aufgrund finanzieller Einschränkungen auf notwendige medizinische Leistungen verzichten muss. Ein Gesundheitssystem, das selektiert, wer welche Leistungen erhält, basierend auf der Zahlungsfähigkeit, ist nicht akzeptabel. Stattdessen müssen wir uns Gedanken machen, wie wir das System so aufstellen, dass die solidarische Finanzierung genau das sicherstellt. Wenn sich die Parameter verändern, dann müssen wir schauen, wie wir anpassen und dem entsprechen. Einfach zu sagen, „Wir haben nicht mehr genug Geld für eine gute solidarische Versorgung“ – und darauf läuft der Beitrag von Peter Lehner hinaus – mag vielleicht eine Beschreibung des akuten Zustands sein, aber es ist kein in Stein gehauenes Naturgesetz. Im Gegenteil sollte dies ein Auftrag sein, sich einer breiteren Finanzierung zu widmen und endlich föderale Strukturen zu hinterfragen. Und: Spielen alle Stakeholder im System wirklich sauber mit und leisten sie wirklich ihren Anteil? Ich würde sagen: nein. Ein Beispiel: den von Köksal Baltaci ins Spiel gebrachte einheitlichen modernen Vertrag zwischen niedergelassenen Mediziner:innen und Kassen gibt es immer noch nicht. Auch deshalb, weil Funktionäre sich lieber in Partout-Standpunkten eingraben und ständig öffentlich rote Linien ausrichten, statt ernsthaft zu verhandeln. Unser Ansatz, den Verhandlungspartnern eine mehr als ernsthafte Deadline in Form einer gesetzlichen Regelung zu stellen, wurde leider vom Koalitionspartner abgelehnt. Ansonsten hätten wir jetzt vielleicht schon das im Kommentar geforderte moderne Vertragswerk.
Was aber klar benannt werden muss: Die Forderung nach einem Ende des Leistungsausbaus im öffentlichen Gesundheitssystem und die damit verbundene implizite Aufforderung, Patienten noch stärker in privat finanzierte Leistungen zu drängen, ist einem Chef der staatlichen Sozialversicherungen unwürdig. Statt Einsparungen und Einschränkungen zu diskutieren, sollten wir uns auf präventive Maßnahmen und die Stärkung des Pflegebereichs konzentrieren. Eine vorausschauende Gesundheitspolitik spart langfristig Kosten und verbessert die Lebensqualität aller Bürger:innen. Es ist nicht nötig, das Geschäft privater Versicherer öffentlich zu verwalten. Denn so wirkt der Lehner-Vorstoß am Ende.
Ein Gesundheitssystem ist nur dann sinnvoll, wenn es solidarisch organisiert dafür sorgt, dass nicht die Geldtasche entscheidet, wie gut man versorgt wird. Die Metapher eines Autos lenkt von dieser fundamentalen Wahrheit ab. Die eigentliche Aufgabe besteht darin, sicherzustellen, dass unser Gesundheitssystem für alle gleichermaßen zugänglich und leistungsfähig bleibt. Und daher bleibt auch abschließend immer noch die Frage: Was haben manche Männer nur ständig mit diesen Auto-Vergleichen?