Der Vorschlag von Primar Kerbl aus der Steiermark klingt verlockend: Wer Medizin studieren will, die/der soll zuerst ein Jahr lang in einem Krankenhaus ein Pflegepraktikum machen. Dabei sollen diese Personen Tätigkeiten wie Putzen, Betten machen oder Essen austeilen übernehmen. Das soll die Empathie der zukünftigen Mediziner:innen abprüfen und gleichzeitig auf den Job im Spital vorbereiten. Ersteres wird bekanntlich nicht bei den Zulassungstests aktuell abgeprüft, weil nur schwer in einen standardisierten Test abbildbar.
Der erwartete Nebeneffekt: der Pflegenotstand soll damit behoben werden, derzeit sich auftuende Lücken werden geschlossen. Wohl nicht zuletzt deshalb sind gleich mal Stadtrat Hacker und Landesrätin Bogner-Strauss aufgesprungen und begrüßen den Plan. Ich bin dagegen skeptisch. Und das aus mehreren Gründen.
Wer in der Pflege arbeitet, die/der hat eine entsprechende Ausbildung gemacht. Diese Tätigkeiten gehören entlohnt und wertgeschätzt. Der Ansatz Löcher mit Praktikant:innen, denen man als Entlohnung für ein Jahr Praktikum ein Medizinstudium wie eine Karotte vorhält, mag zwar in der Phantasie mancher einer Genugtuung sein, wird aber keine Wertschätzung bringen und keine Probleme in der Pflege lösen. Ein Pfleger hat am letzten Freitag in einem Gespräch richtigerweise gemeint, dass ihn auch die Aufgabenstellung „Betten machen, Putzen, Essen ausgeben“ im Zusammenhang mit dem Begriff „Pflege“ massiv stört, denn das sind schlicht und ergreifend keine pflegerischen Tätigkeiten.
Selbst wenn es dann am Ende pflegerische Tätigkeiten sind, die in einem solchen Praktikum zu erledigen sind, wer sagt uns, dass jemand auch wirklich für den Pflegeberuf geeignet ist. Warum wird immer davon ausgegangen, dass Pflege von jeder und jedem problemlos erledigt werden kann, und deshalb geeignet ist als Zugangsvoraussetzung für einen anderen Job herzuhalten?
Über was man reden muss: Wie können Social Skills bei einem Aufnahmeverfahren besser berücksichtigt werden? Wie schaffen wir es, dass es gerechter bei den Aufnahmen zugeht? Wie berücksichtigen wir Talente und Leidenschaft besser und gerechter als reines Auswendiglernen? Diese Fragen gilt es in diesem Zusammenhang zu klären. Ein Praktikum in Krankenhäusern, in dessen Rahmen Hilfstätigkeiten ausgeführt werden sollen, ist wohl nicht das geeignete Mittel. Aber an dieser Frage arbeitet aktuell das zuständige Ressort am Minoritenplatz. Ebenso wie das mit der Pflege beschäftigte Ministerium an der Umsetzung der Pflegereform mit den ebenfalls zuständigen Bundesländern arbeitet.
Womit wir wieder bei den beiden oben genannten Landespolitiker:innen landen. Dass beide vermeintlich günstige Praktikant:innen als schnell verfügbares Personal in den Spitälern für Hilfsdienste haben wollen, kann ich aus deren Warte in Funktion der Krankenhausbetreiber und -erhalter sogar nachvollziehen. Zu verlockend scheint der Zugriff auf günstige Arbeitskräfte zu sein, die mit der erwähnten Karotte vor dem Gesicht bereit sind als günstige Arbeitskräfte in den Spitälern zu arbeiten. Was das für das Medizinstudium bringen soll, ist wie gesagt hinterfragenswert. Dass die erwähnten Zustände aber nicht alleine Sache des Bundes sind, ist allen Beteiligten klar, auch – oder vor allem – die Länder haben eine Verantwortung, wenn es um die personelle Ausstattung der Krankenhäuser geht. Umso perfider erscheint mir die Begeisterung.
Bleibt noch die Frage nach den Studienplätzen, deren Erhöhung von den beiden Ländern auch eingefordert wird. Ob diese wirklich so dringend im Zusammenhang mit der Anzahl der Mediziner:innen benötigt wird, ist eine eigene Frage (unabhängig von der Frage der Gerechtigkeit von Zugangsbeschränkungen). Dass die Anzahl der Studienplätze per se nichts über die Anzahl der ausgebildeten Mediziner:innen aussagt, steht auf einem anderen Blatt. Dazu habe ich mich auch bereits an anderer Stelle geäußert. Spoiler: es geht um mehr als nur die bloße Frage nach der Anzahl von Studienplätzen.