Heute ist der 27. Jänner, heute im Jahr 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz in Polen befreit. Auschwitz das war der sichere Tod, das war die Industrialisierung des Sterbens, das war systematische Folter und Tod, das war Vernichtung als Ziel. Es war die Hölle auf Erden für Jüdinnen und Juden, für Homosexuelle oder Sinti und Roma. Es ist heute noch Synonym für das Undenkbare und Unaussprechliche. Auschwitz war nicht alleine, in Österreich hieß das KZ Mauthausen, seine Nebenlager waren in Gusen und in meiner Gegend in Gunskirchen, war in Ebensee ebenso wie es auch im Welser Messegelände ein zugehöriges Nebenlager gab. Und genauso gab es noch viele andere Konzentrationslager, verbunden mit dem schrecklichen Schicksal von Millionen von Menschen, nur wegen ihrer Religion, ihrer Herkunft, ihrer Sexualität oder weil sie einfach nicht in das Herrenmensch-System der Nazis passten. Auschwitz steht für die verharmlosend als Euthanasie bezeichnete systematische Tötung von Menschen mit Behinderung – so wie bei uns in der Gegend in Hartheim. Auschwitz ist das Synonym für so viel Negatives und Unvorstellbares. Am 27. Jänner werde ich innerlich immer ganz unruhig, ich versuche dann mich bewußt mit dem oben erwähnten Fakten auseinander zu setzen. Am 27. Jänner aber stehen mir meistens auch Tränen immer wieder in den Augen, habe ich einen dicken Kloß im Hals, muss immer und immer wieder schlucken und mir verallgegenwärtigen, dass wir wirklich alles tun und alles unternehmen, damit “Nie wieder” nicht zur Floskel wird, sondern ein Versprechen bleibt.
Für mich ist der 27. Jänner auch ein Feiertag. Es ist der Tag der Befreiung des KZ Auschwitz. Es ist der Tag an dem zumindest eine Hölle auf Erden – von den vielen, welche die Nazis eröffnet und betrieben haben – dauerhaft geschlossen wurde. Die Lager konnten nur betrieben werden, weil es Menschen gab, die mitmachten. Aktiv dabei waren und aktiv mitgeholfen haben. Menschen, die andere entmenschlichten und aus Kadavergehorsam oder Obrigkeitshörigkeit, vielleicht auch aus dem Gefühl einer Herrenrasse anzugehören oder aus einem tief empfundenen Minderwertigkeitsgefühl heraus, aus unbändigem Hass gegenüber anderen heraus oder vielleicht aus Neid heraus sich andienten und mitmachten. Wo es Opfer gibt, da gibt es immer auch Täter*innen. Und wir Österreicher*innen waren zum Teil auch unter diesen Täter*innen, und nicht nur wie wir immer glaubend machten nur Opfer.
Ich habe das Glück ein Spätgeborener zu sein, ich habe das Glück nicht im Nationalsozialismus aufgewachsen zu sein, nicht wie meine Vorfahren Teil des NS-Staates gewesen zu sein. Ich persönlich bin auch nicht schuldig an dem was damals passierte. Wie sollte ich auch? Aber ich wäre schuldig, wenn ich zulassen und mithelfen würde, dass die Erinnerung an alles das oben stehende ausgeblendet wird, wenn wir uns es einfach machen würden, und anstatt zu erinnern auf das vergessen und Verneinen setzen würden. Daher bin ich froh, wenn ich am 27. Jänner einen Kloß im Hals und Tränen in den Augen habe. ich bin froh darüber, weil es mir zeigt dass ich nicht so abgestumpft bin, dass mich das nicht berührt und ich bin froh weil es mir zeigt, dass mich das alles auch mit 44 immer noch bewegt, tief bewegt.
In diesem Sinn – und aus vollstem Herzen: “Niemals vergeben, niemals vergessen. Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!”
Zum Schluß noch – auch weil es mich heute tief bewegt hat – die Geschichte des Noah Jacob Finkelstein aus Lublin. Er ist in Wels begraben, am jüdischen Teil des Friedhofs: das Martyrium von Noah Jacob Finkelstein und seiner Familie begann mit dem Überfall der Nazis auf Polen. Die Finkelsteins gingen durch eine Reihe von Ghettos, Arbeits- und Konzentrationslager. Zwei der Söhne wurden 1941 ermordet. Auch viele andere Familienmitgleider starben. Im Jänner 1945 wurden Noah und seine anderen beiden Söhne nach Auschwitz verschleppt. Als die Rote Armee immer näher kam, wurden viele Häftlinge evakuiert – zu Fuß und auf Viehwagons. Als Auschwitz befreit wurde, am 27. Jänner 1945, waren die Finkelsteins schon unterwegs. Mauthausen war das nächste Ziel des Leidensweges. Für Noah Jacob Finkelstein nicht das letzte. Ein weiteres mal wurde man in Marsch gesetzt, Ziel Gunskirchen. Die Befreiung fand am 4. Mai durch die US-Army statt. Noah Jacob Finkelstein starb dennoch am 8. Mai 1945, dem Tag des Endes des Zweiten Weltkrieges, an den Folgen der jahrelangen Misshandlungen. Heute, am 27. Jänner, dem Tag der Befreiung von Auschwitz, gedenken wir ihm und den Millionen anderen Opfer der Nazi-Barbarei.