Irre, was sich seit einigen Tagen bei uns in Österreich abspielt. Seit dem 27.12.2020 wird bei uns bekanntlich gegen Covid-19 geimpft. Dafür gibt es eine seit Wochen festgelegte Impfstrategie. Grundlage dieser Strategie ist der Schutz der Risikogruppen, also jener Teile der Bevölkerung, die am meisten unter der Pandemie bisher zu leiden hatten. Vereinfacht gesagt: zuerst die Alten und zu pflegenden Menschen und deren Helfer*innen, dann die Kranken und so genannten Systemrelevanten und dann der Rest der Menschen im Land.
Jetzt können wir natürlich vortrefflich darüber diskutieren, wer besonders schutzwürdig ist, und welche Rolle bestimmte Berufsgruppen dabei haben. Es stimmt schon, gute Politiker*innen sind unter den Menschen, lassen sich ansehen und sind greifbar. Aber auch für unseren Berufsstand gilt während einer Pandemie, bei der die Erreger mittels Aerosole übertragen werden, dass wir Abstand halten und Kontakte vermeiden bzw. eine Maske tragen. Wenn nötig, dann trage ich eine FFP2-Maske auch mehrere Stunden, so wie das auch Mitarbeiter*innen im Handel oder im Gesundheitswesen es machen (müssen).
Manche Politiker*innen meinen aber, dass sie so wichtig sind, dass sie sich vor allen anderen impfen lassen können. Besser noch, manche meinen dass sie derart systemrelevant sind, dass sie mit den besonders zu schützenden Bewohner*innen der Pflege- und Altenheime gemeinsam zu impfen sind. Die Begründung dabei ist nicht selten, dass halt eine Impfdosis übrig geblieben ist, und der zu impfende Bürgermeister (die männliche Form passt hier übrigens in den meisten Fällen) zufällig anwesend war. Naja, und bevor eine Dosis weggeschmissen wird, impft man eben den zufällig anwesenden Bürgermeister.
Wieso gibt es überhaupt “übrige” Impfdosen? Zum einen kann es immer passieren, dass für die Impfung vorgesehene Personen nicht erscheinen oder kurzfristig ausgefallen sind. Zum anderen werden die Impfungen aus einer Flasche ausgezogen. Der Inhalt der Flasche reicht für zumindest 5 Impfungen, meistens mit etwas Überhang um auf Nummer Sicher zu gehen. Einige Ärzt*innen und Sanis können das aber so gut, dass sich locker eine 6. Impfdosis auch noch ausgeht, ab und zu sogar eine siebte.
Zurück zum eigentlichen Thema: was hat der Bürgermeister beim Impfen zu tun? Ich war auch beim Start des Impfens in Thalheim vor Ort. An der Eingangstüre zum Alten- und Pflegeheim war aber naturgemäß Schluß für mich, ich habe während einer Pandemie nichts da drinnen zu suchen, ich bin betriebsfremd. Warum das für Bürgermeister*innen nicht gilt, ist mir unverständlich. Zum anderen: was einE gestandenEr Landbürgermeister*in ist, die/der weiß auch wie es in der Bevölkerung ausschaut. Da sind normalerweise die Einwohner*innen, die älter sind und noch daheim wohnen – also nicht im Heim leben – bekannt. Wenn also Impfstoff übrig ist, dann wäre es doch nicht so schwer einfach mal die erwähnten zuhause lebenden Menschen aus der Risikogruppe anzurufen, zu fragen ob sie geimpft werden wollen, diese abzuholen und zum Impfen zu bringen (den Impfstoff zu den betroffenen Menschen zu bringen ist meistens nicht mehr möglich, weil dieses Medikament sehr instabil ist).
Das einzige, was ich verstehe: wenn Politiker*innen einem Brotberuf nachgehen, der eine Impfung auch jetzt bereits vorsieht. Also beispielsweise Pfleger*in oder Betreuer*in in einem Alten- und Pflegeheim, oder medizinisches Personal in einem Krankenhaus oder Heim. Dafür gibt es dann auch eine Erklärung. Nur Bürgermeister*in, AbgeordnetEr oder sonstwas ist zu wenig.
Aber wie jetzt umgehen mit denen, die sich vorgeschwindelt haben? Für mich ist das eine Frage der Ethik. Wer ihre/seine Position genutzt hat um sich eine Impfung zu besorgen anstatt alles dafür zu unternehmen, dass Angehörige der in der Impfstrategie vorgesehenen Risikogruppe geimpft werden, die/der sollte auch so weit sein und Konsequenzen ziehen. Die zweite Impfung muss aber diesen Personen zum vorgesehenen Zeitpunkt verabreicht werden, weil sonst ist der verabreichte erste Stich wirklich umsonst gewesen und verschwendet. Rechtlich können diese Leute wohl nicht belangt werden (wobei das wohl im Einzelfall anzusehen ist), aber ein wenig Ethos sollte es auch in unserer Profession geben, auch wenn man angesichts solcher Geschichten daran zweifeln möchte. Ich habe dazu übrigens heute auch eine Presseaussendung gemeinsam mit meiner Kollegin Bedrana Ribo ausgesandt. Diese findet ihr HIER.